Doan Bui, die 1976 in Le Mans (Frankreich) geboren wurde, ist eine Autorin und Journalistin vietnamesischer Abstammung. Als Chefreporterin der Wochenzeitschrift Le Nouvel Observateur schreibt sie Reportagen, die viel Beachtung gefunden haben. Eine dieser Reportagen, die von Migranten handelt, ist mit dem renommierten Albert-Londres Preis ausgezeichnet worden.
Le Silence de mon pére ist ihr erster Roman. 2016 wurde er mit dem Preis littéraire de la porte dorée ausgezeichnet.
Bui lebt heute in Paris.
Kennt man jemals den anderen?
Der Vater von Doan, einer jungen Frau, die als Kind vietnamesischer Eltern in Frankreich aufwächst, wird Opfer eines Schlaganfalls und kann nicht mehr sprechen: er lebt jetzt in Schweigen gehüllt, kann nur „O“ – und “A“ laute von sich geben. Da wird der jungen Frau Doan bewußt, dass sie eigentlich nichts von ihm weiß, von seiner Vergangenheit, von seiner Herkunft. Jetzt ist es zu spät, um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten.
Dies ist schicksalhafte Ironie: sie, die von Berufs wegen Fragen stellt, weil sie Journalistin ist, sie, die Migranten aus aller Herren Länder interviewt hat, hat nie ihren eigenen Vater befragt. Sie weiß nichts, bzw. hat nie die Geschichte ihrer Familie erforscht, die als Exilanten Vietnam verlassen haben.
In ihrer Familie ist das die Regel – man schweigt.
Aus dem Französischen von Dr. Philippe Wellnitz