Einleitende Wort von Johannes Feest
Lesung mit den Autor:innen Inge Buck und Madjid Mohit,
am 19.3. 2023 im Parkhotel Bremen
„Der lyrische Dialog zwischen den Gedichten von Madjid Mohit und Inge Buck steht zugleich in einem Spannungsfeld zwischen westlicher und östlicher Welt, zwischen Fremdheit und Vertrautheit, Nähe und Ferne, konnotiert von den eigenen kulturellen und biografischen Erfahrungen. Ein Abenteuer der Begegnung in Wort, Text und Schrift.”
So steht es in der Pressemitteilung. Genauer kann man es kaum ausdrücken, was wir hier vor uns haben. Aber damit beginnt erst die eigentliche Arbeit am Text. Ich habe mich für den gegebenen Anlass auf ein Gedicht beschränkt. Es wird im Titel der heutigen Veranstaltung zitiert, stammt von Madjid Mohit und beginnt mit den Worten
„Die Welt ist ein Septembertag wie heute”. Es geht also um einen bestimmten Tag, an dem die Welt so erscheint. Und wohl auch um einem bestimmten Ort. „Die Sonne gibt sich Mühe durch die dicken Wolken zu kommen”. Vermutlich sind wir also in Bremen und damit an einem der Pole des interkulturellen Austauschs.
Dazu passt auch das gegenüber abgedruckte Gedicht von Inge Buck:
„Schon spüre ich den Geruch fallenden Laubs, schon liegt die Grasnarbe bloß”.
Das erinnert an ein früheres Gedicht von Inge Buck namens „Septemberkraut”, das von den Herbststürmen handelt. Aber warum immerfort September? Wir sind schließlich im März. Und wie mag das die persischen Leser:innen anmuten?
Diese könnten ja auf die Idee kommen, dass es in Bremen hauptsächlich solche Septembertage gibt. Zum Beweis des Gegenteils müssten sie die persische Version eines anderen Gedichtbandes von Inge Buck zur Hand haben, in welchem vom „fahlen Grün der Wiesen in Märzlicht“ die Rede” ist und auch von der „Absichtslosigkeit eines Sommertags, der Geduld einer Kaktusblüte, der Zeitlosigkeit einer Ameise, der Verlässlichkeit des Schattens”. Natur pur.
Man könnte auch darüber spekulieren, ob Madjid Mohid sich von Inge Bucks Gedichten hat inspirieren lassen. Die er ja seit 1999 immer wieder gedruckt hat. Aber sein eigenes Gedicht „Septembertag heute” verlässt die Naturlyrik mit dem Schlusssatz. Dieser lautet: „und wir lesen keine Nachrichten mehr”.
Potzblitz, par bleu! Was für ein kalter Hauch kommt da auf uns zu, aus dem sonnigen Orient? Offenbar geht es um das unerträgliche Quantum an schlechten Nachrichten mit denen wir täglich überschüttet werden: Corona-Tote, Waffenlieferungen, Häuserzerstörungen, Hinrichtungen, Erdbeben. Solche Lyrik im west-östlichen Dialog hat es in sich und der Septembertag wirkt noch im März nach und weit über Bremen hinaus.
Dieser Dialog verweist, ebenso diskret wie deutlich, auf das großartige verlegerische Werk, welches Madjid Mohit in den letzten 25 Jahren in Bremen aufgebaut hat. Er hat berühmte Autoren aus dem Persischen und dem Arabischen übersetzen lassen. Aber er hat auch eine große Zahl von Autoren, die hierzulande noch nicht so bekannt sind, einem deutschen Publikum näher gebracht. Und zunehmend hat er zweisprachige Ausgaben herausgegeben, in denen Beispiele deutscher Lyrik dem Orient vermitteln werden und umgekehrt. All dies hat hohe Aktualität.
Damit könnte ich schließen, wenn nicht zwischen September und März sich etwas ereignet hätte, was geeignet sein könnte diese fruchtbare Art von Dialog zu verstärken und zu verstetigen. Damit meine ich eine Vereinigung, die sich im Dezember zusammengefunden hat. Sie trägt den großen Namen „West-östlicher Diwan. Interkultureller Austausch” und ihre Vorsitzende ist Inge Buck. Sinn des Unterfangens ist es, dass dieser Austausch nach Kräften, privat und staatlich angemessen gefördert und präsentiert wird. Sie alle, liebe Zuhörer:innen sind schon jetzt eingeladen, demnächst auf diesem Diwan Platz zu nehmen.