Inge Buck führte die Besucher der Buchpremiere von Jürg Beelers neuem Gedichtband „Die Vögel kehren zurück” wundervoll in das Werk des Autors ein. Hier finden Sie eine Abschrift des Auftaktes in eine tolle Lesung:
Nach seinem letzten Lyrikband „In fremden Zimmern“ im Züricher Wolfbach Verlag sind nun neue Gedichte von Jürg Beeler im Bremer Sujet Verlag erschienen unter dem Titel „Die Vögel kehren zurück“.
Jürg Beeler, 1957 in Zürich geboren, studierte Germanistik, Literaturkritik und Komparatistik an den Universitäten Genf, Zürich und Tübingen. Er schrieb Rezensionen, Essays und Reiseberichte für verschiedene Zeitungen. 1986 erschien sein erster Gedichtband. Nach mehrjährigen Auslandaufenthalten in Spanien und Italien lebte er in den letzten 10 Jahren als freischaffender Schriftsteller in Zürich und in Bremen.
„Die Vögel kehren zurück“. Sie kehren zurück mit ihrem vielstimmigen Gesang, so wie der Schweizer Autor Jürg Beeler, der nach einem längeren Zwischenaufenthalt in der „norddeutschenTiefebene“ zurückgekehrt ist über die Alpen und der heute im südfranzösischen Narbonne lebt.
Unterwegs sein oder bleiben, ankommen, um wieder aufzubrechen wie die Vögel, die zurückkehren, um wieder aufzubrechen. „All diese Urlaube, die an Flughäfen beginnen und enden.“ Eine Bewegung zwischen zwei Orten, zwei Polen, zwei Lebensweisen, zwischen den Sprachen: dem Deutschen, dem Schweizerdeutsch und dem Französischen.
In den Gedichten von Jürg Beeler ist Vielstimmiges zu hören – Geräusche, Töne, Klänge und Musik – gehört und aufgeschrieben ins Notizbuch an südlichen und nördlichen Orten: Seevogelschrei und das Gekreisch der Möwen, die Litanei der Zikaden und das Summen der Mücken über dem Moskitonetz, Musik in Birken und Föhren oder eine Fuge von Bach. Und selbst die Stille ist zu hören zwischen zwei Augenblicken, zwischen den Zeiten, zwischen den Zeilen dehnt die Stille den Augenblick. „Musik kommt aus der Stille und endet in ihr“ so Daniel Barenboim. Stille ist der Raum zwischen zwei Klängen, ein Lebensraum zum Atemholen, zum Hören, zum Sehen. Zum Schreiben.
In den Gedichten von Jürg Beeler ist die Rede von der Sprache und von den Worten, von der Arbeit mit Adjektiven und Personalpronomen, von der Gefährdung und Gefährlichkeit der Worte: „Früher wurden Menschen für falsche Worte gepfählt“. Es ist die Rede vom Schweigen und vom Geheimnis, das im Wort verborgen ist. „Ich habe nie geschrieben, / erzählte Großmutter, / in den Worten / sitzt immer ein Dschinn.“
Während in den preisgekrönten Romanen von Jürg Beeler – etwa in Die Liebe, sagte Stradivari oder in Solo für eine Kellnerin oder zuletzt in Der Mann der Balzacs Romane schrieb – die Protagonisten bereits im Titel stehen und in weiträumig verflochtenen Erzähl- und Handlungsfeldern agieren, sind die namenlosen Figuren in den Gedichten statisch auf minimale Spielräume reduziert, Alltagsminiaturen, hinter denen sich ungeschriebene Geschichten verbergen, die sich öffnen können. Vielleicht die Geschichte einer Verkäuferin, die in der Bäckerei die leeren Regale reinigt oder die eines Rentners, der auf einer Bank vor der Schleuse sitzt und das Fernglas hebt. Oder die einer Bettlerin, die vor dem Portal eines Doms sitzt.
Durch die Gedichte von Jürg Beeler zieht sich der Wechsel der Jahreszeiten, Kälte, Regen und Hitze, Sommer und Herbst, und doch scheint es ein Stillstand oder die Wiederholung der Zeit zu sein, „ als könne der Herbst / oder das Frühjahr / noch einmal beginnen.“ Ein Ritornell, in dem es scheinbare Bewegungen gibt und doch alles an seinem Ort bleibt.
Das Bleibende kann eine Täuschung sein, und doch vermittelt es Verlässlichkeit, wie die Bahnhöfe, die bleiben oder wie das Basilikum vor dem Küchenfenster.