In diesem Interview unterhalten wir uns mit Abdelkader Djemai über seinen Roman Die letzte Nacht des Emir, die Bedeutung des Werkes und die Lektionen, die wir als Leser aus der Lektüre ziehen können.
Sujet: Was hat Sie zu dem Buch Die letzte Nacht des Emir angeregt?
Djemaï: Seit langem hegte ich den Wunsch, ein aus Fiktion und Geschichte gewebtes Buch über diesen großartigen Gründer des ersten algerischen Staates zu schreiben. Er steckte, wenn auch nur unterschwellig, in einigen meiner Publikationen – wie etwa Le Nez sur la vitre und Gare du Nord. Mit der Zeit verspürte ich das dringende Bedürfnis, ihm ein eigenes Buch zu widmen, in dem er der Protagonist ist, der Motor der Erzählung, die die verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit zeigt.
Sujet: Welche Bedeutung hat er für unsere heutige Zeit?
Djemaï: Diesem Mann war eine große Demut zu eigen, er war geprägt von einem wunderbaren Humanismus, und er war nicht nur ein außergewöhnlicher Kriegsherr, der zur Waffe greifen musste, um sein Land zu befreien, sondern auch ein Dichter, Philosoph, Sufi, Theologe und vor allem ein Mensch, der anderen und der Welt gegenüber offen war.
Sujet: Welche Lehren, hoffen Sie, entnimmt der Leser dieser Lektüre?
Djemaï: Ich wollte einen gebildeten und fortschrittlichen Mann darstellen, der sich für Toleranz, den Dialog zwischen den Völkern und Religionen einsetzte. Tugenden, derer wir heute dringend bedürften.
Sujet: Wie sind Sie beim Verfassen des Romans vorgegangen, insbesondere in Bezug auf die historischen Fakten?
Djemaï: Ich habe fast alles gelesen, was über sein Leben und Werk veröffentlicht wurde. Ich musste eine Auswahl an Material treffen, das für die Verwirklichung meines Vorhabens dienlich war. Das Schwierigste war, den Ausgangspunkt zu finden, ein Datum, eine Situation, ein interessantes Detail. Ich habe mich schließlich für die Nacht des 25. Dezembers 1847 entschieden, in der er vom Hafen Ghazaouët aus mit seinen Gefährten ins Exil ging, um, so lange er lebte, nie wieder in seine Heimat zurückzukehren. Zu diesem dramatischen Element kamen im Laufe des Schreibens die rein historischen Tatsachen hinzu, die Ereignisse, Beschreibungen von Zeitgenossen sowie Berichte von Militärs, die ihn schließlich zur Aufgabe zwangen. Ich habe sie in der Beschreibung von Landschaften, Orten und wechselvollen Ereignissen in den Textkorpus eingefügt, ohne dabei natürlich die Gefühle, Bedenken und Worte des Emir zu vergessen. Dies alles in dem Bemühen, daraus eine kohärente und flüssige Erzählung zu schaffen.
Sujet: Wie hat sich Ihr Schreibstil und auch der Vorgang des Schreibens von „Saison de pierres“ bis zu „Emir“ und „Nose Against the Glass/Blind Moment“ (USA) verändert?
Djemaï: Nach ungefähr zwanzig Veröffentlichungen glaube ich weiterhin, dass das Schreiben ein weites Feld von Überraschungen, Schwierigkeiten und Scheitern ist. Es ist ein langer Prozess des Lernens, und ich betrachte mich als Handwerker, als ein Maurer, der mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, Häuser zu bauen. Es obliegt dem Leser zu beurteilen, ob die Arbeit gelungen ist oder nicht.
Sujet: Arbeiten Sie derzeit an einem neuen Projekt?
Djemaï: Ich schreibe gerade an einem Roman mit dem Arbeitstitel Am Tage, als Pelé. Es ist die Geschichte von Nouredine, einem siebzehnjährigen Fußballfan und Bewunderer von Pelé, der am 17. Juni 1965 in Oran, im Westen Algeriens, am Spiel zwischen Brasilien und Algerien teilnimmt. In der algerischen FLN-Mannschaft spielen Fußballhelden wie Mekhloufi und Zitouni mit. Bis zum Beginn des Spiels läuft er durch die Stadt und erinnert sich unter anderem an die Zeit, als die OAS noch ihr Unwesen trieb, an die ersten Jahre nach der Unabhängigkeit und den Besuch von Che Guevara und verschiedenen afrikanischen Staatsoberhäuptern in Algerien. Zwei Tage später stürzte Houari Boumediene den damaligen Präsidenten Ahmed Ben Bella, der bei diesem historischen Spiel zugegen war, durch einen Putsch.
aus dem Französischen von Christine Belakhdar
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