Dieses optisch zugegebenermaßen eher unscheinbare Buch habe ich in 2 Tagen durchgeschmökert. Eine emotionale Familiengeschichte vor politisch und gesellschaftlich aktueller Kulisse, eine tolle, feinfühlige Erzählsprache, Figuren, die herzlicher nicht sein könnten. Was braucht es mehr für einen guten Roman?
Abbas lebt mit seiner Ehefrau Maria in Frankfurt. Er ist ein überaus erfolgreicher Unternehmer mit internationalen Auftraggebern. Seine Eltern kamen einst aus dem Iran nach Deutschland, die Kinder nach deutschen Maßstäben erzogen; persisch spricht Abbas mehr schlecht als recht. Als sein Cousin aus dem Iran ihn bittet, sich um dessen 30-jährigen Sohn zu kümmern, der demnächst nach Deutschland kommen wird, geht dies zunächst im allgemeinen Business-Trubel unter – bis Reza nur wenige Tage später vor der Tür steht. Ohne Job, ohne Deutschkenntnisse und mit der Bitte um Unterstützung.
Während Abbas nun in „typisch deutscher Manier“ Ergebnisse von dem jungen Mann als Gegenleistung zu seiner (monetären) Unterstützung fordert – Deutschkurs, Job, Behördengänge – beantwortet Reza diese Forderungen auf seine Art, bleibt unverbindlich und wage. Schnell vermutet Abbas, dass der junge Mann nicht ganz ehrlich zu ihm ist, dass es unausgesprochene Geheimnisse gibt.
Nassir Djafari hat einen tragischen Lebens(ver)lauf in eine wunderbare Geschichte von Familie, (kultureller) Herkunft und Zusammenhalt verpackt. Sein Schreibstil ist durchaus rasant, was aber auch zur Thematik passt. Und dennoch ist jede einzelne Figur fein und detailliert gezeichnet. Die politische und gesellschaftliche Lage im Iran, Unterdrückung, Terror und Überwachung ist ebenso wie Rezas angespannte Situation ein Teil der Geschichte, dominiert sie aber nicht. Vielmehr kommen gerade die zwischenmenschlichen Momente und Begegnungen zum Tragen, stille Augenblicke mit dem Vater, Gespräche im persischen Laden. Und so ist dieses Buch für mich persönlich in erster Linie ein Roman über Familienbande und die Wurzeln, die uns als Menschen prägen und verbinden.
geschrieben von Kerstin Elferink